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„Gelo di morte!“ – „Kälte des Todes!“ Mit diesen Worten beginnt eine der erschütterndsten Szenen der gesamten Opernmusik: Das Finale von Giacomo Puccinis Manon Lescaut (1893). Innerhalb weniger Minuten verstirbt die junge und schöne Manon in den Armen ihres Geliebten, Renato Des Grieux. Nacheinander erklingen dabei im Orchester zwei musikalische Gedanken, die den emotionalen Dialog des leidenden Paares untermalen. Sie entwickeln sich separat, verflechten sich, und bringen die Szene allmählich zum tragischen Höhepunkt.
Tatsächlich wurden die beiden Themen vom Komponisten gar nicht neu erfunden. Bereits im Jahr 1890 legte er sie einem seiner wenigen Instrumentalwerke zugrunde, welches zum ersten Mal im Rahmen des Mailänder Gedenkkonzerts für den verstorbenen Fürsten Amedeo Ferdinando di Savoia zur Aufführung kam. Schon der Titel dieser einsätzigen Elegie für Streichquartett – Crisantemi – assoziiert die „Kälte des Todes“: Chrysanthemenblüten sind der typische Blumenschmuck bei italienischen Begräbniszeremonien. Doch auch in ihrer Anlage ist diese Miniatur ein Vorläufer der Schlussszene der Oper. Daher ist es kaum verwunderlich, sie auf dem ersten Album eines Ensembles zu finden, das (als das Streichquartett der Staatskapelle Berlin) per se eine unmittelbare Nähe zum Musiktheater aufweist.
„Aus der reichen Opernorchestertradition hinein in die Intimität der Kammermusik“ – dieses Motto aufgreifend sind die vier Ensemblemitglieder – Wolfram Brandl und Krzysztof Specjal (Geigen), Yulia Deyneka (Bratsche) und Claudius Popp (Cello) – um eine fruchtbare Synthese aus dem künstlerischen Anspruch und der Tradition der Staatskapelle sowie ganz individueller Vorlieben bemüht. Live und ohne Korrekturen in zwei Konzerten aufgenommen, beinhaltet ihre im September 2022 beim Label Linn Records erschienene Debüt-CD außer den Crisantemi noch zwei weitere Werke, die im Einklang mit dieser Idee stehen.
Peter Tschaikowskys erstes Streichquartett in D-Dur (1871) und Giuseppe Verdis einziges Streichquartett in e-Moll (1873) folgen zwar einem durchaus traditionellen Formtypus mit vier in Tempo und Charakter kontrastierenden Sätzen, weisen aber in der Themenbildung unverkennbar auf die starke Opern-Affinität ihrer Schöpfer hin (bei Verdi gibt es z.B. Anklänge an die kurz zuvor komponierte Aida). Die Kombination mit Puccinis Crisantemi verleiht dem Album eine sehr besondere Stimmung, die sich vielleicht mit dem bitter-süßen Nachgeschmack eines Opernbesuches vergleichen lässt.